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Die "Barcamp DNA"

Die "BarCamp-DNA"

BarCamps nennt man auch Unkonferenzen, weil hier so ziemlich alles anders ist, als bei einer klassischen Konferenz. Dort stellt der Veranstalter die Agenda zusammen, die er für die Zielgruppe für angemessen hält, und er wählt die Experten aus, die auftreten dürfen.

Bei BarCamps wird dafür die Expertise des Plenums genutzt. An jedem Morgen werden alle Anwesenden im Plenum gebeten, Vorschläge für die heutige Agenda zu machen. Ein "Session-Vorschlag" kommt auch nur dann auf die Agenda, wenn es im Plenum ein Interesse dafür gibt. Die Rolle des Veranstalters beschränkt sich hier auf das Bereitstellen von "Session-Räumen", auf die zeitliche Gestaltung des Ablaufplanes und auf die BarCamp-Klima-prägende Einstimmung. Möglicherweise gibt er auch noch ein BarCamp-Thema vor, wie "Corporate Learning Camp", "EduCamp" oder "PMCamp", damit sich eine bestimmte Zielgruppe hier sammelt (sog. Themen-BarCamps). Das BarCamps auch ohne Thema funktionieren, zeigen die Stadt-BarCamps, wie BarCamp Hamburg, oder BarCamp Nürnberg.

Eine aus Plenums-Vorschlägen zusammengesetzte Agenda - mit mehreren parallelen Sessions - entsteht sozusagen "selbstorganisiert" unter den Teilnehmenden, die wir bei BarCamps deshalb "Teilgebende" nennen. Selbstorganisation ist auch das tragende Prinzip für BarCamps: Auch der Session-Ablauf darf sehr unterschiedlich sein, den bestimmt der Sessiongeber mit den Teilgebenden seiner Session. Und jeder Teilgebende wählt zu jeder Stunde neu, welche Session ihn jetzt am meisten interessiert. Wenn dann eine Session nicht so läuft wie er es sich vorstellte, dann hat er immer zwei Möglichkeiten: Versuchen, die Diskussion in die gewünschte Richtung zu bringen, oder auch die Session kommentarlos zu verlassen, wenn die anderen auf einem ganz anderen inhaltlichen Weg sind.

Jeder Teilgebende entscheidet zudem immer selbst über seinen Engagement-Level: Er kann eine Session vorschlagen und gestalten, er kann in einer Session nur zuhören, oder er kann sich mit eigenen Beiträgen in Sessions einbringen. Auch hier gilt das Selbstorganisations-Prinzip. Das hat auch zur Folge, dass Teilgebende am Ende nicht wirklich unzufrieden sein können. Jeder kann sich ja gestaltend einbringen. Und wem etwas fehlt, der muss sich fragen, warum er es nicht angeregt hat.

Für erfahrene Teilnehmer klassischer Konferenzen klingt das vielleicht wenig vorstellbar. Deshalb ist es notwendig zu Beginn oder auch im Vorfeld eines BarCamps ein paar Grundsätze für das Funktionieren solcher selbstorganisierter Unkonferenzen deutlich zu machen. Da schauen wir uns einfach die ungeschriebenen Kommunikationsregeln aus gut laufenden virtuellen Fachforen im Internet ab. Wenn es doch möglich ist, in virtuellen Fach-Communities z.T. jahrelang gemeinsam zu arbeiten – ohne sich jemals gesehen zu haben, ohne Auftrag von jemandem, also vollständig selbstorganisiert, dann brauchen wir nur schauen, welche Bedingungen das ermöglichen:

  • Freiwilligkeit ist die eine Bedingung. Jeder kann entscheiden, ob und, wie weit er sich einbringt - und wann er sich wieder rauszieht

  • Jeder ist Experte – eben mit seiner Perspektive. Unterschiedlichkeit darf sein, ist sogar hilfreich.

  • Gleiche Augenhöhe – egal ob jemand Professor oder Schüler ist – es zählen nur die Beiträge.

Genau das sind auch die Bedingungen für das Funktionieren von BarCamps. Der schwierigste Punkt ist es wohl, die gleiche Augenhöhe in so einer Präsenzveranstaltung hinzubekommen. Eine gute Möglichkeit ist es, die Anrede mit dem Vornamen einzuführen. Und dann ist man auch ganz dicht beim Du. Empfehle deshalb das BarCamp-Du, das am Abend des letzten BarCamp-Tages beendet ist, wenn Einzelne nichts anderes miteinander vereinbart haben.

Besondere Haltung als BarCamp-Veranstalter

Das wichtigste Erfolgskriterium eines BarCamps ist das besondere Klima, das alle Teilgebenden irgendwie spüren müssen. "Ich darf mich hier anders verhalten als sonst - und man achtet drauf, dass mir dabei nichts passiert", das muss bei den Teilgebenden glaubwürdig ankommen. Das kann man nicht ausdrücken, dass muss schon morgens beim BarCamp-Start authentisch erlebbar werden. Das hat mehr mit persönlicher Ausstrahlung zu tun, als mit den Worten, die man transportiert. Hier wirkt die innere Einstellung mehr als das Gesagte.

"Ich habe keinen Zweifel daran, dass die Teilgebenden den Tag heute gut und sinnvoll gestalten werden". Jeder Zweifel, jede auch nur gedachte Kritik an einem Session-Vorschlag, überträgt sich auf die Teilgebenden. Sie spüren sehr schnell, dass man es ihnen doch nicht so richtig zutraut, und sie beginnen zurückhaltender zu werden. Selbstorganisation entfaltet sich aber nur, wenn das Zutrauen da ist, und das Vertrauen, dass man hier auch seine eigenen Vorstellungen selbst verwirklichen darf.

So eine innere Haltung ist in hierarchischen Gesellschaften und Organisationen noch sehr ungewöhnlich, und deshalb erst von wenigen eingeübt. Das geht auch nicht von heut auf morgen, das Loslassen ist gefordert - bei weiter voller Übernahme der Verantwortung.

Grafik, Ablauf aus Teilnehmersicht, Erlebenskurve, Energie vor/nach Barcamp (Barcamp ist mehr als die x Tage)

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